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Der Zusammenhang zwischen Unverträglichkeiten und Brot

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 Wir führten ein interessantes Gespräch mit dem Präsidenten des internationalen Richemont Clubs, Herrn Jorge Pastor Moreno, der sein gesamtes Berufsleben der Lebensmittelbranche widmete und mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Forschung und Entwicklung im Bereich Bäckerei vorweisen kann. Zudem hat er bei mehreren wissenschaftlichen Studien mitgewirkt, welche an renommierten spanischen Zentren zum Thema Brot durchgeführt wurden.

Herr Pastor, herzlichen Dank dass Sie sich Zeit nehmen und Ihr Fachwissen mit unseren Lesern teilen. Sie waren viele Jahre Präsident des internationalen Richemont Clubs und zuvor Präsident des Richemont Clubs Spanien. 

Wie kam Ihre Beziehung zur Richemont Fachschule in Luzern zustande?

Ich habe erstmals über die Richemont Fachschule gehört, als mein Sohn eine Bäckerei-Ausbildung in Deutschland absolvierte. Ich erfuhr, dass diese Schule in Luzern wahrscheinlich das fortschrittlichste und das am besten ausgestatteten Ausbildungszentrum in Europa ist. Ich nahm Kontakt auf, reiste nach Luzern und traf mich mit Herrn Walter Bösch, dem damaligen Direktor der Schule. Ich besuchte die Einrichtungen und erkundete das Angebot und das Bildungsprogramm. Nach diesem Besuch war ein beidseitiges Interesse da, eine Zusammenarbeit aufzubauen und Ausbildungsmöglichkeiten in Spanien anzubieten. Ich versuchte dann, Kontakt zu Verwaltungen und zu CEOPAN aufzubauen, damit Richemont sich als Ausbildungsstätte in Spanien niederlassen konnte – leider erfolglos. Nach diesem gescheiterten Versuch gingen wir den Weg über den Richemont Club Spanien: das eröffnete uns die Möglichkeit, spanische Studenten nach Luzern zu bringen und Richemont Fachlehrer nach Spanien zu holen.

Warum haben Sie die Schweiz, und nicht Spanien oder ein anderes europäisches Land, für die duale Berufsausbildung ausgesucht?

Nachdem ich in den 80er Jahren als Exportdirektor für ein Unternehmen in Deutschland tätig war, kannte ich das dortige duale Bildungssystem sehr gut. Das schweizerische Modell der dualen Berufsausbildung ist dem anderer europäischer Länder wie Deutschland, Österreich, Holland oder Frankreich sehr ähnlich. Der Vorteil in der Schweiz ist aber, dass die Aus- und Weiterbildung für die Bäckerei-, Konditorei- und Confiserie-Branche zentral von einem Kompetenzzentrum aus gesteuert wird. Ähnliche Institutionen gibt es noch in Weinheim (DE) und in Rouan (FR), allerdings bietet keines der beiden so umfangreiche Dienstleistungen an wie Richemont in der Schweiz.

In letzter Zeit wurde viel über Unverträglichkeiten und den Zusammenhang mit Gluten gesprochen. Sie allerdings stehen für gesundes Brot ein und halten an verschiedenen Veranstaltungen, wie letzte Woche an der Madrid Fusión, darüber Vorträge. Wann ist Brot kein gesundes Lebensmittel mehr?

In unserem Land ist Brot eher ein fragwürdiges Lebensmittel, da seine Herstellung in der Regel in einer Rekordzeit von fast zwei Stunden erfolgt. Gesundes Brot – oder auch traditionelles Brot genannt – braucht Zeit und wird mit Sauerteig hergestellt.

Das heute viel konsumierte Quick Bread hat seinen Anfang Mitte des späten neunzehnten Jahrhunderts, als grosse Mengen an billigen Broten die Nachfrage war und diese industriell hergestellt wurden. Dieses Brot enthält keinen Sauerteig - das heisst, es enthält keine Milchsäurebakterien und beinhaltet Zusatzstoffe, welche die Verdaulichkeit erschweren. Wenn ich über gesundes Brot spreche, meine ich leicht verdauliche Brote, die einen niedrigen glykämischen Index und eine gute Bioverfügbarkeit haben.

Angenommen, ich muss ein fünfjähriges Kind davon überzeugen, dass es besser ist, Brot zu essen als einen Cupcake oder ein Croissant. Wie erkläre ich, was ein gesundes Brot ist?

Ich würde es einem fünfjährigen Kind auf eine sehr einfache Art und Weise erklären. Ich würde ein Stück gesundes Brot zum Probieren geben und ihm all die vielen Vorteile gegenüber einem „Industriebrot" aufzählen: Aussehen, Aroma, Knusprigkeit und dass dieses Brot mit Getreide aus den nahe gelegenen Dorffeldern hergestellt wurde und deshalb so einen charakteristischen Geschmack hat. Ausserdem ist es wichtig, dass Kinder verstehen, wie gesund ein mit Sauerteig hergestelltes Brot ist: dass es ihnen ein längeres Sättigungsgefühl verleiht, während ein zuckerhaltiges Gebäckprodukt ihnen nur für einen kurzen Zeitraum Energie spendet. Darüber hinaus sollten Kinder wissen, dass Brot nicht dick macht und mit vielen anderen Lebensmitteln wie Schokolade perfekt kombiniert werden kann.

Sie haben gerade erwähnt, dass „Industriebrot" nach wenig schmeckt. Wie kommt es, dass Brot jetzt leicht säuerlich schmeckt? Weissbrot hatte bisher immer einen eher süssen Geschmack, warum?

Es geht nicht darum, ob Brot einen leicht säuerlichen Geschmack haben muss oder nicht. Das Problem ist, dass industrielles Weissbrot, wie es in den letzten 50-60 Jahren produziert wurde, nach nichts schmeckt. Wenn Sie die Augen schliessen und die Nase in die Nähe des Brotes bringen, werden Sie kaum Aromen riechen - vielleicht ein leichtes Aroma von Presshefe - aber sonst nichts. Solches Brot schmeckt erst, wenn Fett und Zucker dazugegeben werden.

Der leicht säuerliche Geschmack ist der Inbegriff für gesundes Brot. Dabei sollte der Säuregehalt tief sein wie bei einer Mandarine oder einem Apfel. Ist der Säuregehalt zu hoch, wie z.B. bei Essigsäure, würden wir über schlecht gemachtes Brot sprechen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, dass es sich um milde Milchsäure handelt, welche einem Joghurt ähnelt.

Fermentierte Lebensmittel enthalten eine natürliche Säure, die durch die kultivierte Muttermasse im Ansäuerungsprozess erzeugt wird. Dies garantiert, dass es eine gesunde und korrekte Bakterienaktivität gegeben hat, die eine Reihe von Mechanismen in Gang gesetzt hat. Diese Mechanismen ermöglichen es, Lebensmittel leichter verdaulich zu machen. Sie weisen einen geringeren Zuckergehalt auf und haben eine bessere Bioverfügbarkeit, das heisst, dass Mineralien, Vitamine und anderen Nährstoffe vom menschlichen Körper besser aufgenommen werden können.

Welche Bedeutung hat der glykämische Index und warum ist er wichtig für gesundes Brot?

Alle Lebensmittel haben einen bestimmten Zuckergehalt. Interessant ist, mit welcher Geschwindigkeit Zucker vom menschlichen Körper aufgenommen wird und ins Blut gelangt. Ist der glykämische Index hoch - das heisst über 70 - dann ist der Abbau von Zucker sehr schnell. Nimmt der Körper den Zucker langsam auf, braucht dieser weniger schnell wieder Nahrung. Appetit und Hunger zögern sich also heraus, wenn der glykämische Index in Lebensmitteln niedriger ist.

Nahrungsmittel mit hohem Zuckergehalt sorgen zwar für einen schnellen Energieschub, doch der Blutzuckerspiegel fällt auch schnell wieder ab und das Hungergefühl ist schnell wieder da. Ein hoher glykämischer Index führt also dazu, dass zuckerhaltige Lebensmittel häufiger gegessen werden müssen. Das führt dann zu Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Krankheiten.

Brote mit langer Teigruhe senken den glykämischen Index aus zwei Gründen:

  1. Der Zucker wird abgebaut
  2. Die Stärke wird widerstandsfähiger und braucht länger, um vom menschlichen Körper aufgenommen zu werden.

Diese beiden Gründe zeigen, weshalb Sauerteigbrote mit einem pH-Wert unter 4,8% einen niedrigeren glykämischen Index ausweisen

Bedeutet dies, dass es einen Zusammenhang zwischen den Zutaten, aus denen Brot hergestellt wird, und den Unverträglichkeiten besteht? Können Sie uns das erklären?

Die Zusammenhänge zwischen den Inhaltsstoffen und den Unverträglichkeiten sind offensichtlich. Brotzutaten bestehen aus verschiedenen Verbindungen (Proteinen, Zuckern, Fetten). Einige davon sind schwer verdaulich und rufen Nahrungsmittelunverträglichkeiten hervor. Zum Beispiel endogene Histaminose, nicht-zöliakische Glutenempfindlichkeit oder Reizdarmsyndrom.

Ein grosser Teil des Getreides enthält Gluten, teilweise in so hoher Konzentration, dass es für viele Verbraucher nur schwer verdaulich ist. Dazu kommen verschiedene Zuckerarten (Fructose, Lactose, Galactose, Maltose), die ebenfalls in Getreiden vorkommen und im Dickdarm fermentieren und/oder einen hohen glykämischen Index aufweisen.

Die Zutaten bei der Brotherstellung spielen deshalb eine wichtige Rolle, da eine korrekte Auswahl die Entstehung möglicher Unverträglichkeiten verringert, die Verdaulichkeit des Brotes erleichtert, den glykämischen Index senkt und die Bioverfügbarkeit seiner Nährstoffe verbessert.

Was sind Gliadine und warum sprechen wir über Toxizität?

Im Getreide befinden sich Glutenin und Gliadin, zwei Proteine, welche die Basis für Gluten bilden. In den Gliadinen, die wiederum nach Typen unterteilt werden können, gibt es einige, deren Verdauung viel Zeit und Mühe kosten. Manche davon sind so schwer verdaulich, dass sie als giftig bezeichnet werden (33MER). Die unverdauten Gliadinen haben die Möglichkeit, die Darmschleimhaut ungehindert zu passieren und in die Blutbahn zu gelangen, was in bestimmten Fällen eine immunologische Reaktion hervorrufen kann, wie zum Beispiel „Zöliakie".

Es gibt Rohstoffe, in denen diese giftigen Gliadine fehlen, wie z.B. in Dinkel, Hartweizen oder Kamut. Ebenso können wir durch langsame Verarbeitungsprozesse und durch Sauerteig-Zugabe den Gluten- und Gliadingehalt im Brot zerstören und reduzieren. Nicht nur die Wahl der Rohstoffe ist wichtig, sondern auch der Prozess der Brotherstellung. Lange Teigruhen von 24 bis 48 Stunden mit einem hohen Anteil an Sauerteigkultur machen es möglich, den Gliadingehalt, unverdauliche Proteine, fermentierbare Zuckerarten sowie Antinährstoffe zu reduzieren. Auf diese Weise können wir wieder leckeres, nahrhaftes und gesundes Brot geniessen.

Herr Jorge Pastor, herzlichen Dank für dieses interessante Gespräch. Nach diesen Ausführungen macht der Satz "Wir sind, was wir essen" absolut Sinn. Und Sie haben einen wichtigen Informationsbeitrag dazu geleistet, wie Lebensmittel und Ernährung auf die Gesundheit wirken.

Mit diesem Blog möchten wir Informationen für Fachleute in der Bäckereibranche, der Gastronomie und Gesundheit sowie Interessierten bereitstellen.

 

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Mittwoch, 27. November 2024

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